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  • AutorenbildStephan Kohwagner

Schuldzuweisungen während der Partnerschaft und nach der Trennung

So sehr wir uns wünschen, dass unsere Liebe ein wahrgewordener Traum ist, so tief kann auch die Bruchlandung sein, wenn bestimmte Aspekte der einzelnen Partner keine oder zu wenig Beachtung finden. Dann steht man vor einem Scherbenhaufen, der in Vorwürfen und Schuldzuweisungen mündet. Die Liebe füreinander ist spürbar und doch klafft da eine große Lücke im gegenseitigen Verständnis, die irgendwie schwer bis gar nicht mehr geschlossen werden kann.

Was ist der Auslöser für Schuldzuweisungen?

Wir alle haben bewusst oder unbewusst ganz eigene Erwartungen an eine Beziehung. So sucht und findet Jeder etwas anderes in ihr. Gerade die unbewussten Strategien können, unerkannt von beiden Seiten, dazu führen, dass die Partnerschaft das Gleichgewicht verliert. Im eigenen und gegenseitigen Nicht-Erkennen dieser tiefen Wünsche und Vorstellungen entstehen Vorwürfe und Schuldzuweisungen.

Welche Strategien führen zu Schuldzuweisungen?

Ich möchte hier auf zwei verschiedene unbewusste Strategien näher eingehen.

Ich sehe da den Menschen, dessen Bedürfnis es ist, Kontrolle über die Partnerschaft auszuüben. Nicht im Sinne von physischer oder psychischer Gewalt. Eher in dem Sinne, dass Emotionen eine  untergeordnete Rolle spielen. Dafür aber der Erhalt des Systems Beziehung im Vordergrund steht. Sie sehen diese als abgeschlossenes Projekt. So jemand könnte sagen: „Egal was ist, wir gehören zusammen!“ Was grundsätzlich die Möglichkeit ausschließt, dass sich auch etwas ändern darf. Die Bereitschaft für und der tiefe Zugang zu Emotionen fehlt. Sollte der Partner dann doch die Initiative zur gefühlsmäßigen Auseinandersetzung ergreifen, kann er/sie die folgenden inneren Sätze förmlich hören: „Das vergeht schon wieder…Die/Der kriegt sich schon wieder ein…Die/Der hat mal wieder ihre verrückten 5 Minuten“.

Kommt es zur Trennung, ist der Kontrollierende überrascht. Denn in seiner Welt ist ja alles in Ordnung, solange die Abläufe der Norm entsprechen. Bei der Trennung droht die Gefahr von Kontrollverlust über die Beziehung. Um dem Verlust vorzugreifen bringt dieser Archetyp Schuldzuweisungen ins Spiel, die die andere Person weiter an ihn binden sollen. Zwar dann im Umgang mit negativen Gefühlen, aber die Kontrolle stand ohnehin über dem Empfinden.

Ja, wir wünschen uns alle, dass das geliebte Gegenüber uns zu einer besseren Version unserer Selbst macht. Jemand, der unsere Qualitäten kennt, uns anerkennt, uns nimmt mit Haut & Haar, so wie wir sind. Einfach schön! Das bringt mich zu einem anderen Archetyp, der seinen Selbstwert ausschließlich über die Beziehung definiert und die Partnerschaft als Rettungsanker begreift.

Dieser Typ braucht den Partner auf unnatürliche Weise, weil der eigene Wert unklar ist und er/sie sich eine Definition seiner/ihrer Selbst durch die Partnerschaft erhofft. Der Mangel an eigenem Selbstwert führt dazu, dass innerhalb der Beziehung die eigenen Bedürfnisse hinten angestellt werden bzw. gar kein Bewusstsein dafür da ist. Sie wissen nicht, was sie brauchen und verhalten sich devot. Sie sind immer bereit dem Partner einen Gefallen zu tun, sie sind immer bereit ihre eigenen Grenzen aufzuweichen, damit ja die Beziehung, die so viel mehr ist als eine Partnerschaft, weiterbestehen bleibt. Man kann Aussagen hören, wie: „Entscheide Du…Macht mir nichts aus…Wie Du willst…Kein Problem…Wir machen das so, wie Du willst…“.

Und weil sich Bedürfnisse und innere Grenzen, bekanntlicher Weise, nicht auf ewig verdrängen lassen, brechen sie dann irgendwann mit Macht hervor. Dann kommt die Klarheit, dass nichts so gelaufen ist, wie man es selbst gewollt hätte. Dass keine innere Grenze gewahrt worden ist. Fehlendes Bewusstsein und mangelnde Eigenverantwortlichkeit führen schließlich dazu, dass sich dieser Archetyp als Opfer des Partners sieht. Und so bleibt ihm/ihr nichts anderes übrig, als mit Schuldzuweisungen um sich zu werfen, um den Partner dafür „büßen“ zu lassen, selbst nicht zum Zuge gekommen zu sein.

Warum ziehen uns Schuldgefühle so magisch an?

Warum fällt es uns so schwer, ein Return-to-sender draus zu machen? Das hat natürlich verschiedene Ursachen

- Unser Gehirn braucht eine schlüssige Erklärung. Also haben wir die Absicht, die Gründe des (Ex)Partners verstehen zu wollen, um mit dem Thema abschließen zu können. Das wird uns jedoch nicht immer gewährt und so bleiben Fragen offen, deren Ungeklärtheit uns weiter beschäftigt

-  Das Schlechte Gewissen plagt uns, weil es uns selbst möglicherweise gut geht, wir mehr Klarheit haben und es uns nicht besser gehen darf, als dem geliebten Menschen, der offensichtlich leidet

- Wir haben Angst davor, verantwortlich dafür zu sein, dass ein Mensch, den wir als liebenswert kennengelernt haben zu solchen Maßnahmen uns gegenüber „gezwungen“ wird. Wir fragen uns selbst, ob das unsere Schuld sein könnte.

- Uns wurde von Kindheit an beigebracht, dass sich alles um die Frage dreht, wer an was Schuld hat. Da kann es schon schwer fallen, seine eigene Verantwortlichkeit zu erkennen und den Rest einfach loszulassen

- Wir befinden uns in einer Opferhaltung, die wir insgeheim gerne annehmen. Wir haben Angst davor was es bedeutet, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und eigene Entscheidungen für unser Wohlbefinden zu treffen

- Wir hängen noch in Erinnerung an die guten Zeiten fest und weigern uns die Realität anzuerkennen. Beschönigung und Selbstbetrug lassen uns die Wirklichkeit weniger bedrohlich wahrnehmen.

- Wir erlauben es uns nicht, den Partner gehen zu lassen, weil wir den Anspruch haben, dass es ein positives Ende nehmen muss

- Schuldgefühle können sich besser anfühlen, als gar keine Gefühle mehr füreinander zu haben

- Selbstbestrafung dafür, dass man nicht schon früher erkannt hat, was in der Beziehung schief läuft

Was kann helfen?

- Der Handlungsweise des Partners Verständnis entgegenbringen. Verstehen heißt nicht, dass man es gut heißt. Es bedeutet lediglich, dass man es so annimmt, wie es sich tatsächlich zeigt.

- Schluss machen mit der Verurteilung. Wissend, dass wir Menschen immer das Beste tun, was uns zum jeweiligen Zeitpunkt möglich ist.

 - Die Bereitschaft, das ins Leben zu ziehen, was einem gut tut und das loszulassen, was einem schadet. Damit gemeint sind nicht nur die Menschen in unserem Leben, sondern vielmehr die schädlichen Gedanken und Glaubenssätze, die unser eigenes Glück einschränken.

- Wenn man feststellt, dass der Grund für das Festhalten an Schuldgefühlen das Schlechten Gewissen oder die Selbstbestrafung ist, darf man sich fragen: Auf welche andere Weise kann ich das noch betrachten? Ist das die einzige Art, die Situation zu betrachten? Welche alternativen Sichtweisen gibt es noch?

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